Kerstin kauft kräftig im Kleidergeschäft ein. Sie steht schon an der Kasse. Da zögert sie ein wenig und fragt die Verkäuferin: „Kann ich die Kleider umtauschen, wenn sie meinen Eltern gefallen sollten?“
Auf keinen Fall darf die Kleidung den Eltern von Kerstin gefallen. Wenn das so wäre, würde es ihrer Meinung nach darauf hinweisen, dass sich ihr Geschmack und der der Eltern treffen. Diesen Eindruck will sie auf jeden Fall vermeiden. Man kann doch nicht der gleichen Meinung mit bestimmten Personen, die die „alte Welt“ darstellen, sein! Und schon der Verdacht ist zu vermeiden. So ist es manchmal in der Erziehung angebracht, von den Kindern das Gegenteil von dem, was man will, zu verlangen, damit sie das machen, was wir wollen.
Dies ist ein Zug, der in der heutigen Gesellschaft immer wieder anzutreffen ist, auch in der Kirche. Wenn jemand seine Meinung äußert, so muss ich dagegen sein, gleichviel, ob ich den Vorschlag vernünftig finde oder nicht. Das zu bedenken, dazu kommt man meistens nicht. Dass es dem anderen passt oder dass der andere diese Meinung vertritt, ist Grund genug, sie abzulehnen. Dieser Reflex wird auch von den Massenmedien bedient. Es ist ja keine Zeit vorhanden, sich mit den Gedanken auseinanderzusetzen, deswegen wird der Weg der Ablehnung über die Person oder Stelle, die etwas äußert, als ausreichend betrachtet, dafür oder dagegen zu sein. Das Erwartete bestimmt dann das Tatsächliche. Von dieser Seite kann nichts Gutes kommen, ich muss mich also dagegenstellen, was immer auch von dieser Stelle kommt. Um beim Evangelium zu bleiben: Auch wenn man nicht auf die Wange geschlagen worden ist, ich fühle es so und schlage zurück. Was soll ich die andere Wange hinhalten, wenn ich gar nicht sicher weiß, ob ich überhaupt getroffen worden bin? Der Reflex, das unbedachte Verhalten, es baut auf Vermutetem auf, nicht auf Wirklichem. Und damit gibt es keine fruchtbare Auseinandersetzung.
Diese Weisheit stellt sich aber als Torheit heraus. Aber die oft als Narretei angesehene Haltung, den anderen ernst zu nehmen, genau hinzuhören, das ermöglicht oft erst die Verwirklichung von Möglichkeit. Wir brauchen ein wenig Torheit um weiterzukommen. Dabei müssen wir bedenken, dass wir werden. In diesem Werden ist es wichtig, sich auf andere zu beziehen und die Grundlage der Zusammenarbeit zu pflegen. Wir sind auf dem Weg, und das sollten wir nicht verneinen, indem wir uns schon am Ziel wähnen.
„Ich möchte Millionär werden wie mein Vater.“ Der Lehrer verwundert: „Ich habe gar nicht gewusst, dass dein Vater Millionär ist!“ Darauf Hans: „Aber er möchte einer werden – wie ich.“
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