Im Tagesgebet des 1. Fastensonntags heißt es über die 40 Tage des Fastens: „Gib uns durch ihre Feier die Gnade, dass wir in der Erkenntnis Jesu Christi voranschreiten und die Kraft seiner Erlösungstat durch ein Leben aus dem Glauben sichtbar machen.“
Fasten soll durchscheinend machen: Das heißt nun nicht, so dünn zu werden, dass man durchscheinend wird. Es könnte aber heißen, dass wir uns von Vorstellungen frei machen, die uns daran hindern, unsere Hoffnung zu leben. „Die Fastenzeiten sind Teil meines Wesens. Ich kann auf sie eben so wenig verzichten wie auf meine Augen. Was die Augen für die äußere Welt sind, das ist das Fasten für die innere.“ So hat es Mahatma Gandhi gesagt. Fasten kann also sehen helfen, was uns davon abhält, so zu werden, wie wir sein könnten. In der Verdunkelung unserer inneren Augen gerät oft das Ziel, auf das hin Gott uns beruft, außer Blick.
Es gibt heute ja so vieles, das uns den Blick auf das, was Heil bedeuten könnte, verdeckt. In der Hektik des Alltags wird uns das oft nicht einmal bewusst. „Fasten macht bewusster. Es unterbricht unsere Verhaltensmuster.“ So formuliert es die Schweizer Ärztin Francoise Wilhelmi de Toledo. Angesichts unserer eingespielten Handlungen, die für uns und unsere Mitwelt oft nicht gut sind, bedarf es des Bewusstwerdens dieser Verhaltensmuster. Fasten kann dabei das sein, was Unterbrechung zum Bewusstwerden bedeutet. Dies ist wichtig, um zu erkennen, was lebensdienlich ist und was nicht. Fasten macht uns damit darauf aufmerksam, dass nicht alles so selbstverständlich ist, wie wir glauben. Es kann so vor vorschnellen Festlegungen, vor unberechtigten Vorurteilen und Handlungen bewahren.
In einer Geschichte von Elke Bräunling ruft Anna ein Wortfasten aus. Anna hat beschlossen, in der Fastenzeit ihre Worte nur für ganz wichtige Dinge aufzusparen; zum Trösten oder um jemandem in Not zu helfen etwa. Worte werden damit kostbar. „Wie ein lebendiger Smiley sieht Anna dabei aus. Ein lustiger oder ernster oder trauriger oder wütender Smiley. Ein Anna-Smiley. Zum Lachen komisch ist der.“ So heißt es in der Geschichte.
Damit ist ein Hinweis gegeben, dass wir im Wortfasten uns einüben könnten, nicht alles sofort abschließend beurteilen zu wollen.
„Die Grenzen der Wirklichkeit kommen in Bewegung; der Raum des Möglichen wird weiter... Der Geist wird fühliger. Das Gewissen wird hellsichtiger, feiner und mächtiger. Das Gefühl für geistige Entscheidungen wächst.“ So formulierte der bekannte Priester und Religionsphilosoph Romano Guardini in Bezug auf das Fasten.
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