Die Menschen fürchten die Gefahr, durch das Bekenntnis zu dem, was sie als richtig erkannt haben, allein dazustehen, oft mehr als den Irrtum. Daher laufen sie gewissen Gruppen nach, die Behauptungen aufstellen, die an den Haaren herbeigezogen erscheinen. Vor allem sind es die Erwartungen, die sich an vage Versprechungen knüpfen, die Menschen zusammenführen. Dabei bilden diese Erwartungen oft nicht das ab, was die Anführer wirklich wollen. Und mit diesen wollen sie nicht allein bleiben.
Ob sich diese Wünsche verwirklichen lassen und um welchen Preis, das wird meist nicht gefragt, auch nicht, ob es wirklich gut wäre, wenn das Versprochene eintreten würde. Die Maßstäbe des Richtigen und des Normalen werden dann verschoben, teilweise aufgelöst. Die Masse gibt das Maß vor, und viele laufen dann mit, fragen nicht wohin. Vieles bleibt oberflächlich, die Anhängerschaft an eine Person bildet oft nur der Wunsch ab, den eigenen Willen zu bestätigen und damit nicht allein zu bleiben.
Wie ist das mit Jesus? Am Palmsonntag steht sein Einzug in Jerusalem im Blickpunkt der Menschen. Sie gehen den Weg mit ihm mit, sie jubeln ihm in den Straßen zu, sie rufen Hosanna, sie sind begeistert von Jesus, der als König einzieht. Sie stellen sich Jesus als solchen vor, der alles mit einem Schlag verändern wird. Sie versetzen ihre Wünsche in Jesus hinein, sie wollen alles so bestätigt sehen, wie sie es sich vorstellen. Nicht die Suche nach Wahrheit treibt sie an, sondern der Wunsch nach Bestätigung, auch durch die Masse. Sie fragen nicht, ob dieses ihr Ziel das richtige ist.
Dabei bleibt das, was die Masse antreibt, unklar. Als sich herausstellt, dass sie sich in dieser Vorstellung getäuscht haben, kehrt sich die Begeisterung der Menschen bald in Gegnerschaft. Sind sie einem Falschen nachgelaufen?
Für sie scheint es so: Nur Maria und Johannes stehen unter dem Kreuz, die anderen sind weg und laufen zum Teil Anderen und Anderem nach, um nicht mit Jesus einsam sein zu müssen. Sie wollten ihre falsche Anschauung bestätigt finden und bleiben in der Masse einsam.
Wir müssen uns am Palmsonntag fragen, welchem Ziel wir uns mit Jesus nähern wollen, was sein Weg ist. Sonst droht es beim großen einmaligen Gefühlsrausch zu bleiben, der bald verpufft. Dazu bedarf es der persönlichen Begegnung. Es ist ja bedeutsam, dass der Auferstandene nicht der Masse erscheint, dass er nicht mit einem großen Spektakel die Menschen überwältigt. Jesus will in der persönlichen Begegnung sich als der erweisen, der er ist: der Gott des umfassenden Lebens. Und das in dieser Begegnung tief Erfahrene wird zur Wahrheit und zur wahren Gemeinschaft führen.
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