Eine Katze stört den Abt und die Mitglieder des Klosters immer wieder bei der Abendandacht in der Kapelle. Daraufhin ordnet der Abt an, dass die Katze zur Zeit der Andacht vor der Kapelle anzubinden sei, damit die Mönche ungestört ihre Andacht halten können.
Die Zeit vergeht, und der Abt stirbt. Der Nachfolger hält sich streng an die Tradition, eine Katze zur Zeit der Abendandacht vor der Kapelle anzubinden. Als die Katze stirbt, wird eine neue angeschafft, damit man sie anhängen könne. Die einfachen Leute belustigen sich über das angebundene Tier, die Theologen schreiben daraufhin ein dickes Buch mit vielen wissenschaftlichen Anmerkungen, in dem bewiesen wird, dass die während der Andacht angebundene Katze heilsnotwendig sei.
Die Abendandacht kommt aus der Übung, die angebundene Katze aber bleibt, auch als das Kloster in ein Hotel umgewandelt wird.
Trotz oder wegen der sich schnell ändernden Gesellschaft sind Traditionen wichtig. Der Grund, warum sich diese ausgebildet haben und welchem Zweck sie dienen, ist aber oft in Vergessenheit geraten. Es bleiben damit mitunter nur leere Hülsen über, die nicht zur Bewältigung heutiger Herausforderungen beitragen, mitunter sogar das Gegenteil bewirken. Trotzdem werden sie für notwendig gehalten, Begründungen dafür werden gesucht, die zum Teil nichts mehr mit der ursprünglichen Absicht zu tun haben.
Es legen sich andere Motive an den Handlungen an.
War das nicht zur Zeit Jesu auch so im Tempel, der von Kaufleuten, von Geldwechslern überfüllt war? Die Gewohnheiten, die sich ausgebildet hatten, standen den ursprünglichen Zielen entgegen. Jesus will mit der Vertreibung der Händler und Geldwechsler ein Zeichen setzen, dass der Tempel das Haus seines Vaters ist.
Brauchen nicht auch wir eine solche Reinigung? Auch in unserem Leben lagert sich nämlich so manches an, das vom ursprünglichen Ziel, dass das Leben gelingen kann, wegführt. Manches hat sich einfach eingespielt, aus einer sinnvollen Routine ist vielleicht eine unsinnige Handlungsweise geworden. Nicht umsonst wird dieses Evangelium der Tempelreinigung in der Fastenzeit verkündet. Fasten bedeutet ja auch eine Revision unseres Lebens in der Besinnung auf das Ziel und die Frage, ob die Wege, die wir eingeschlagen haben, noch der Erreichung des Zieles dienen. Oder führen sie nicht schon am Ziel vorbei? Sollten wir nicht manche Katze losbinden? Also auf zum Osterputz!