Das Wachsen einer Pflanze aus dem Samen ist immer etwas Erstaunliches. Die Schwachheit des kleinen Samens erweist sich als Stärke, er keimt, der Spross durchbricht die Erdkruste, tritt ins Licht und wächst, groß empor im Falle des Senfkorns, von dem im Evangelium die Rede ist. Der Mensch kann nur warten und schauen, was aus dem kleinen Samenkorn, das sich seinen Weg bahnt, wird.
Er ist aufgerufen zu vertrauen in das Wachstum. Das heißt nicht, dass der Mensch darüber hinaus nichts tun kann. Er kann, um im Bild zu bleiben, die Erde lockern, er kann jäten, gießen. Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, fordert uns in diesem Zusammenhang auf: „Handle so, als ob alles von dir abhinge, in dem Wissen aber, dass in Wirklichkeit alles von Gott abhängt.“
Das Senfkorn wird in dem Gleichnis als Bild für das Reich Gottes verwendet. Eine scheinbar kleine Angelegenheit, oft gar nicht sichtbar und doch kräftig im Wachstum. Mitunter scheint alles dem Ende zuzugehen, das Wachstum scheint gehemmt, aber im Hintergrund treibt das Reich Gottes an. Die Kirche ist nicht das Reich Gottes, sie ist nicht das Ziel. Sie ist Mittel, dem Wachstum des Reiches Gottes Raum zu geben, die vielen kleinen und schwachen Menschen zu versammeln zum Reich Gottes hin. Da gibt es immer wieder Hindernisse, Schwierigkeiten, besser gesagt, Herausforderungen.
Gerade jetzt gibt es durch das Rücktrittsgesuch des Erzbischofs von München, Kardinal Reinhard Marx, große Aufregung und Irritation. Der Kardinal sieht die Kirche an einem toten Punkt, das Versagen vieler kirchlicher Personen ist greifbar. Es ist nicht nur das Versagen von Personen, sondern auch ein Versagen des Systems, wie der Erzbischof sagt. Die Kirche muss immer reformiert werden, verändert werden, um dem Wachsen des Reiches Gottes Raum zu geben.
Einem Mann war ein Garten mit Obstbäumen zur Bewachung anvertraut. Eines Tages bat der Besitzer den Mann um einen Korb süßer Äpfel. Der Mann pflückte die Äpfel, brachte sie dem Besitzer, die Äpfel aber waren sauer. Der Besitzer verlangte nun ein wenig verärgert erneut nach süßen Äpfeln. Wieder brachte der Mann Äpfel, sehr schöne, aber auch diesmal waren sie sauer. Dem Tadel des Herrn entgegnete der Verwalter: „Wie soll ich wissen, wie die Äpfel schmecken, wo ich doch nur der Bewacher des Obstgartens bin!“
Tun, als ob alles von uns abhinge, im Wissen, dass Gott hinter allem steht: Das bedeutet auch zu prüfen, wie die Früchte schmecken.