«Talita kum! Mädchen, steh auf!» Im Evangelium vom Sonntag ergeht diese zärtliche Aufforderung an die Tochter des Jairus.
Es sind diese Worte Jesu, die das Mädchen aus dem Tod herausrufen und in das Leben zurückführen. Wunder werden nicht vom Menschen selbst gewirkt, wie sich am Mädchen im Evangelium zeigt. Es ist der sanfte Befehl Jesu, der den Tod, die Abschließung überwindet. Der Herr ist es, der das Leben erneuert. Vom Menschen dagegen ist die Bereitschaft aufzustehen gefordert.
Ist dieser zärtliche, aber doch fordernde Ruf «Steh auf!» nicht auch an uns heute gerichtet? Nach einer langen Zeit des Rückzugs jetzt wieder herauszukommen, das ist nicht nur verlockend, sondern auch notwendig, Not-wendend. Oft sind wir ja schon im Leben tot, ohne irgendwelchen Antrieb, weil das, was unser erwartet, uns zu überfordern und damit zu lähmen scheint.
In einer solchen Situation scheint es manchmal verlockender zu sein, liegen zu bleiben, im Rückzug zu verharren. Wir haben uns eingerichtet in der Sphäre des nun schon Gewohnten. Wenn doch alles für uns getan wird, wenn wir sogar Aufmerksamkeit genießen in unserem Rückzug, warum dann aufstehen? Warum nicht einfach so weiter wie gehabt? Den Verlockungen des betreuten Rückzugs zu widerstehen und sich den Herausforderungen eines neuen Lebens zu stellen, das ist nicht immer leicht.
Ist es nicht manchmal attraktiver, nicht geheilt zu werden, nicht aufgeweckt zu werden? So wie in dem Witz, wo Jesus die Kranken von verschiedensten Gebrechen und Krankheiten heilt. Er kommt zu einem, der seine Hand in der Schlinge trägt und wendet sich ihm zu, um ihn zu heilen. Aufgebracht begehrt der Angesprochene auf: «Heile mich ja nicht, denn dann verliere ich all meine Unterstützungen und muss wieder zur Arbeit!»
Heilung und Auferweckung bedeuten nun nicht nur, wieder in den alten Zustand versetzt zu werden. Es kommt etwas Neues dazu. Es ist nicht die alte Normalität, die wiederhergestellt wird, sondern es ist eine auf das Ganze bezogene geistvoll erneuerte Normalität. Die Tochter des Jairus ist herausgeführt aus der Enge des Todes in die Weite neuen Lebens jenseits des Todes. Diese neue Existenz steht jetzt nicht unter den Vorzeichen des alten Lebens vor dem Tod, sondern sie ist hineingenommen in die Wirklichkeit der Geborgenheit in Gott.
Wir würden unser Leben versäumen, wenn wir den zärtlichen Zuruf von Jesus überhören oder uns ihm sogar mit den Worten widersetzen: «Lass mich doch in Ruhe liegen!»