Eine Mutter ging mit ihrem kleinen Sohn in eine Kirche. Es war Morgen, und die Sonne strahlte durch die Glasfenster, die von außen so schmutzig ausgesehen hatten. Eines leuchtete besonders hell in allen Farben im glitzernden Sonnenlicht. Auf die Frage des kleinen Sohnes, wer das auf dem Glasfenster denn sei, antwortete die Mutter: „Das ist ein Heiliger, der heilige Franziskus.“ Auf die Frage der Lehrerin in der Schule, was man sich unter einem Heiliger vorstellen könne, antwortete der kleine Junge, beeindruckt vom Farbenspiel in der Kirche: „Ich weiß es: Ein Heiliger, das ist ein Mensch, durch den die Sonne scheint.“
Heilige sind durchscheinend. Sie stehen nicht für sich, sondern sie stehen für Gott, der durch sie für die Menschen sichtbar wird. Heilige zeigen uns eine Eigenschaft Gottes, der zu den Menschen will. Wir brauchen solche Menschen, durch die die Sonne scheint, die durchsichtig sind auf Gott hin. Das ist wichtig in einer Zeit, wo wir zum Teil undurchsichtig geworden sind, weil wir nichts mehr durchscheinen lassen, in der Bezogenheit auf uns selbst. Aber die Herausforderung ist: Wir alle sind Kinder Gottes. Das ist der Ausgangspunkt. Als Kinder Gottes sind wir zur Heiligkeit berufen. Das ist der Zielpunkt. Heiligkeit ist damit nicht etwas Exotisches, Abartiges, sondern Heiligkeit ist die Berufung von uns allen.
Heilig ist in manchen Sprachen von der Bedeutung her mit Abgrenzung verbunden. Das Heilige ist der für Gott ausgegrenzte Bereich, der dem Weltlichen gegenübergestellt ist. Mit Jesus Christus ist die Grenze zwischen Gott und den Menschen aber aufgehoben. Gott ist in die Welt gekommen, deswegen ist die Welt durchscheinend geworden auf Gott hin. Vom Wort Heil abgeleitet bedeutet heilig auf das Ganze ausgerichtet. Damit der Mensch ganz werden kann, braucht er diesen Bezug zu Gott. Heilig ist also ein Begriff, der Beziehung andeutet. Die Heiligen stellen diese Beziehung her. Sie machen Gott in dieser Welt sichtbar.
Dieses Ganzsein bezieht sich auch auf die Gemeinschaft: Allerheiligen oder Allerseelen sind Feste, die auf alle bezogen sind. Das ist das Geheimnis der Kirche: Alle sind einbezogen, auf verschiedenen Wegen wird das Ganze des menschlichen Lebens angesprochen. Jeder und jede der Heiligen zeigt einen Blickwinkel. Manche mögen in manchen Punkten unvollkommen sein, die anderen ergänzen aber diese Lücken. In den Seligpreisungen sind verschiedene Handlungsweisen angesprochen, die nur in der Gemeinschaft erreicht werden können. Wo der Defekt des einen Lücken lässt, springen andere ein.