Vor kurzem chauffierte mich ein junger Mann. Natürlich kamen wir bei dieser längeren Fahrt auch auf Corona zu sprechen. Der junge Mann hatte sich impfen lassen, wie er mir erzählte, nicht sosehr aus fester Überzeugung, sondern er wollte einfach seine Großeltern schützen, mit ihnen in Kontakt bleiben können.
Natürlich fand er es jetzt angenehm, auch selbst zu einem höheren Grad geschützt zu sein. Seine Haltung hatte nichts von einer abgrenzenden Ideologie an sich, sondern ihr lag eine praktische Abschätzung in Bezug auf die bessere Lösung zugrunde. Er wollte nicht einem Lager zugehören, sondern einfach praktisch andere schützen und selbst geschützt sein.
Eine solche Haltung wird heute in der aufgeheizten Stimmung in den Hintergrund gedrängt. Da gibt es unversöhnliche Gegnerschaft. Was der andere sagt und will, wird von vornherein als Unsinn abgetan. Man lässt sich von Argumenten nicht beeindrucken, man hört sie nicht einmal an. Und um sich selbst in seiner Anschauung gegenüber anderen zu rechtfertigen, wird manchmal auch Gott als Zeuge aufgerufen: „Das ist nicht das Wort Gottes!“ Dabei hatte der andere sich gar nicht auf Gott bezogen, sondern einfach eine solidarische Handlung, die uns weiterhelfen kann, eingefordert.
Aus solcher Haltung folgt, dass man alle, die anderer Meinung sind, einem festgefügten Lager zurechnet, obwohl sich auf beiden Seiten sehr vielfältige Ansätze zeigen. Man nimmt in Anspruch, zu hundert Prozent Recht zu haben, der andere hat natürlich im selben Ausmaß Unrecht. Dabei zählen Fakten oft gar nicht. „Ich habe mir meine Meinung gebildet, stört mich nicht mit Tatsachen!“ So das Motto. Dabei hat man sich die Meinung gar nicht gebildet, man übernimmt sie einfach kritiklos. So entzieht man sich dem Gespräch mit Menschen, die anderer Meinung sind, sondern man beschuldigt.
Wir brauchen eine Abrüstung unserer Haltungen: Es gibt nicht das, was zu hundert Prozent richtig ist, wohl aber das, was eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, zu einem besseren Ende zu führen. Um das zu erreichen, ist es gut, die Meinung des anderen zu hören und sie zu prüfen. In diesem Hören auf die Meinung des anderen und in der Bereitschaft, auf Argumente der anderen einzugehen, liegt ein Weg zur besseren Lösung.
Der jetzt beginnende Advent sollte uns nach vor blicken lassen, nach einem gemeinsamen Ziel. Im Blick auf den kommenden Gott gilt es den besseren Weg zu gehen, der uns von Schuldzuweisungen der Vergangenheit wegführt hin zur gemeinsamen Bewältigung der Herausforderungen.