In seiner Botschaft zum Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember 2021 schreibt Papst Franziskus: „Die Zeit der Pandemie hat uns deutlich vor Augen geführt, dass uns der Zustand der Verletzlichkeit alle vereint.“ Er weist auf einen Text seiner Andacht zur Zeit der Pandemie vom 27. März 2020 hin: „Uns wurde klar, dass wir alle im selben Boot sitzen, alle schwach und orientierungslos sind, aber zugleich wichtig und notwendig, denn alle sind wir dazu aufgerufen, gemeinsam zu rudern.“
Gibt es dieses Bewusstsein der Gemeinsamkeit in der Gebrechlichkeit heute noch? Oder ist es nicht vielmehr das Bewusstsein der Überlegenheit, das so manche in den Kampf gegen andere führt? In der genannten Botschaft gibt der Papst zu bedenken, dass Kirche nicht die Gemeinschaft der Vollkommenen ist. Als solche begreifen sich offensichtlich schon viele in Gesellschaft und Kirche. Ihre Gebrechlichkeit verneinen sie, die der anderen betonen sie und verlassen den Weg der Gemeinsamkeit.
Am 2. Adventsonntag wird uns Johannes der Täufer vor Augen geführt, der alle zur Umkehr aufruft. Das tut er nicht in allgemeiner Weise, sondern er spricht in die konkrete Geschichte hinein, wie die Zeitangaben in Bezug auf sein Auftreten zeigen.
Es geht um die konkreten Menschen, die sich im Bewusstsein ihrer Unvollkommenheit auf das Kommen des Erlösers vorbereiten sollen. Beim heiligen Augustinus findet sich in seinen Überlegungen zum Evangelium vom 2. Adventsonntag folgender überlegenswerter Gedanke: „Johannes ist die Stimme, die vergeht, Christus ist das ewige Wort, das am Anfang war. Nimmt man dem Wort die Stimme - was bleibt? Ein undeutlicher Klang. Die Stimme ohne Wort trifft zwar auf das Gehör, doch sie erbaut nicht das Herz.“
Hören wir heute nicht so viele verwirrende Stimmen, die von der eigenen Unverletzlichkeit jetzt ausgehen und sich nicht nach dem richten, was in der Gemeinsamkeit des Kommenden liegen soll? Sie weisen nicht auf das lebensspendende Wort hin, sondern lassen nur ihre Stimme, die sie für unvergänglich halten, erschallen. Dabei weisen sie nicht über sich selbst hinaus, sie bleiben undeutlicher, zum Teil tödlicher Klang, der trennt. Das Wort, das am Anfang war, schafft dagegen Leben auch in Zukunft.
Adventliches Tun und Hoffen ist auf dieses Wort Jesus Christus gerichtet, in die Gemeinschaft der in vielen Punkten eingeschränkten Menschen, die aber in der gegenseitigen Ergänzung ihr haltendes Ziel finden. Sollten wir nicht wie Johannes diesem Wort unsere Stimme geben?