Der Arzt, der sich nach einer Operation die Röntgenbilder anschaut. „Hervorragend! Alles in bester Ordnung!“ Etwas eingeschüchtert der Patient: „Aber ich habe besonders in der Nacht oft schlimme Schmerzen.“ Darauf der Arzt: „Das geben die Röntgenbilder nicht her, Sie haben keine Schmerzen!“
Wir begegnen dem Mitmenschen oft nur über Mittel. Besonders bildgebende Methoden wie das Röntgen sind für die Diagnostik sehr wichtig, aber sie können nicht alles zeigen. Vor allem müssten diese Mittel ergänzt werden durch die Wahrnehmung der Person, die Schmerzen hat. Aber handelt man nach dem Spruch: Tierärzte haben es mit der Diagnose leichter, ihre Patienten können nicht reden.
Aber auch in der Gesellschaft insgesamt begegnen wir dem anderen oft nur über Mittel: Man tut sich den anderen nicht mehr direkt an, sondern beurteilt ihn von der Ferne über Mittel. Das merken wir auch in der Kirche: Aus der direkten Begegnung ist oft distanzierter Kontakt geworden, der den anderen nur nach sehr vagen Andeutungen oder spektakulären Bildern beurteilt, der nicht mehr weiter fragt, wie der andere wirklich ist, was ihn wirklich bewegt. Vieles bleibt im Dunkeln, das, was ans Licht gezogen wird, ist oft verzerrt, unsensibel, abgrenzend. Wir machen uns ein theoretisches Bild vom Mitmenschen.
Ein Manager besuchte einen Motivationskurs und will das Gelernte nun anwenden. Die Möglichkeit, selbstständig zu arbeiten, war in dem Seminar als wichtige Motivation dargestellt worden. Deswegen holt er seinen Mitarbeiter zu sich und sagt: „Von heute an werden Sie ihre Arbeit selbst planen. Ich bin mir sicher, dadurch wird die Produktion gesteigert.“
Die fragende Antwort des Angestellten: „Bekomme ich auch mehr bezahlt?“ Darauf der Chef: „Nein, Geld ist doch keine Motivation, die Gehaltserhöhung gibt Ihnen keine Befriedigung!“ Der Angestellte lässt nicht locker und fragt, ob er eine Gehaltserhöhung bekomme, wenn die Produktion wirklich steige. Darauf der Manager: „Ich glaube, Sie verstehen die Motivationstheorie nicht. Lesen Sie bitte das Buch, Sie werden daraus lernen, was Sie wirklich motiviert.“ Im Hinausgehen fragt der Mann: „Und wenn ich das Buch lese, bekomme ich dann mehr Geld?“
Theorien mögen oft nicht das abzubilden, was Menschen wirklich bewegt, der Mensch ist anders, als eine Theorie es vorgeben will. Advent und Weihnacht sollten für uns Herausforderung sein, dem Mitmenschen direkt zu begegnen. Schließlich ist Gott Mensch geworden, unser aller Bruder geworden, vielleicht auch, um uns Menschen besser zu verstehen.