Das Messbuch in der Fassung von 2002 bezeichnet den Sonntag vor dem Palmsonntag als 5. Fastensonntag, aber die ältere Bezeichnung als „Passionssonntag“ ist weiterhin verbreitet. Diese Umbenennung bedeutet nämlich nicht, dass der Blick auf das Leiden heute nicht mehr notwendig ist. Auch wenn wir den Blick oft vom Leiden weglenken, es ist da.
Angesichts der Bilder aus der Ukraine, angesichts der Opfer der Pandemie, es lässt sich nicht verdrängen. Wir müssen uns immer wieder mit Schmerz und Leid, eigenem und fremdem, auseinandersetzen. Es ist nicht gänzlich abschaffbar, es wird zum Teil noch vermehrt, wie wir angesichts eines Krieges, der sogenannte moderne Kampfmittel einsetzt, feststellen müssen. Besonders Unschuldige sind betroffen.
Wie also mit Leiden umgehen? Wir suchen nach Gründen, warum Menschen leiden, und bald stellt sich auch beim heutigen Menschen die Frage nach Gott und warum er das Leiden zulassen kann. Im Roman „Die Pest“ von Albert Camus wird der Konflikt zwischen dem Jesuitenpater Paneloux und dem Arzt Rieux gezeigt. Paneloux versucht die Pest als Strafe Gottes zu sehen, doch Rieux sieht darin eine ungerechte und unmenschliche Anklage, die er nicht gelten lassen kann. Besonders als ein Bub an der Pest stirbt, schreit Rieux den Jesuitenpater an: „Ah! Der wenigstens war unschuldig, das wissen Sie wohl!“ Als Paneloux an einer anderen Stelle in Bezug auf das Leid zu bedenken gibt, dass man vielleicht lieben müsse, was man nicht verstehen könne, antwortet der Arzt empört: „Ich habe eine andere Vorstellung von der Liebe. Und ich werde mich bis zum Tod weigern, diese Schöpfung zu lieben, in der Kinder gemartert werden.“
Rieux glaubt an keinen Gott und an keine Heilsgeschichte, aber er hilft. Das Mitgefühl mit denen, die leiden, stellt sich für den Arzt als Weg dar, den man nehmen müsse, um mit der Tatsache des Leides zurechtzukommen. Der Passionssonntag geht darüber hinaus. Im Kreuzweg geht es um das Mitfühlen Gottes mit den Leiden der Menschen. Gott schafft das Leid nicht ab, er nimmt es nicht weg, er nimmt es aber auf sich und geht so mit den Menschen im Schmerz, in der Bedrohung des Lebens, auch im Tod mit und führt zur Auferstehung. Mitfühlen, Helfen und den Blick auf den mitgehenden Gott offen halten, das könnte ein Weg des Umgangs mit Leiden sein.
Sich ausstrecken nach dem, was vor uns ist, wie es in der Lesung heißt, hilft uns bei der Bewältigung dessen, was uns und andere leiden lässt. In diesem Sinn ist es hilfreich, den Kreuzweg zu beten.
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