Der kleine Max fährt das erste Mal allein mit der Bahn zu seinen Großeltern. Er fühlt sich schon groß genug, diese doch relativ lange Fahrt allein anzutreten. Dass er Angst bekommen könnte, diesen Gedanken weist er weit von sich.
Der Vater bringt ihn zum Bahnhof und gibt ihm zum Abschied ein Briefchen. Dieses solle er öffnen, wenn er Angst bekomme. Achtlos schiebt Max dieses doch so unnotwendige Päckchen, wie er meint, in seinen Rucksack. Kurz winkt er aus dem abfahrenden Zug dem Vater zu, und die Reise beginnt. Max fühlt sich erwachsen, nichts kann ihm Angst machen, wie er glaubt.
Doch als an einer Station johlende Fußballanhänger einsteigen und sein Abteil zu überschwemmen drohen, wird ihm anders. Die Angst steigert sich noch, als an einer anderen Haltestelle ein paar dunkle Gestalten zusätzlich ins Abteil drängen. Als ihn die Angst zu lähmen droht, erinnert sich Max an das Abschiedsgeschenk des Vaters. Er fingert in seinem Rucksack herum, findet den Briefumschlag, öffnet ihn, und ein Zettel kommt zum Vorschein. Darauf steht: „Fürchte dich nicht, Max! Dein Vater sitzt im letzten Waggon.“
Wir glauben oft, niemand zu brauchen, wir fühlen uns allein stark genug. Und es ist wichtig, sich aus Abhängigkeiten zu befreien und sich auf die eigenen Beine zu stellen. Es ist ein Zeichen von Erwachsensein, nicht immer jemanden zu brauchen, der für uns sorgt, uns unsere Aufgaben abnimmt. Wir haben uns emanzipiert, aus den Händen von sogenannten Beschützern befreit. Und doch beschleicht uns immer wieder Angst, oft vor einer konkreten Situation, oft aber auch ganz unbestimmt und nicht abgrenzbar. Und wir fühlen uns allein und schwach. Wir überspielen das dann aber oft, indem wir den starken Mann spielen, und finden es dann auch lächerlich, Hilfe anzunehmen, das Päckchen zu öffnen, den Zettel zu lesen: „Dein Vater sitzt im letzten Waggon.“
Und doch ist es so: Gott gibt uns die Freiheit, er scheint oft entfernt, er sitzt nicht immer bei uns im selben Wagen, nicht neben uns auf der Sitzbank. Er entlässt uns in die Freiheit, in die Selbstverantwortung. Wir sind aber nicht allein gelassen. Gott ist im Hintergrund, er lässt zu, dass wir Fehler machen. Er nimmt nicht das Leid weg, nicht das Unglück, nicht den Tod. Er geht weg, wie es im Evangelium heißt. Aber: „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage.“ In seinem Geist ist es bei uns, es gilt sein Versprechen: „Ich komme wieder.“ Er geht mit uns durch Leid und Tod. Wir müssen nur bereit sein, den Brief zu öffnen: „Dein Vater sitzt im letzten Waggon.“
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