Eine auf den ersten Blick unbedeutende Zeitungsmeldung: „Der Ermordete hatte am Tag vor der an ihm verübten Tat alle seine Ersparnisse zur Bank gebracht. Deswegen kam er Gott sei Dank mit dem Verlust seines Lebens davon.“ Und doch zeigt diese Meldung die ganze Perversion unseres heutigen Lebens: Das Geld wird oft über das Leben gestellt. Dabei ist nicht das Geld als solches das Übel. „Wir wissen, dass das Problem nicht das Geld selbst ist, denn es ist Teil des täglichen Lebens und der sozialen Beziehungen der Menschen.
Wir müssen vielmehr über den Wert nachdenken, den das Geld für uns hat: Es darf nicht zu einem absoluten Wert werden, als ob es der Hauptzweck wäre. Eine solche Anhänglichkeit hindert uns daran, den Alltag realistisch zu betrachten, und vernebelt unsere Sicht, so dass wir die Bedürfnisse anderer nicht erkennen können. Es gibt nichts Schädlicheres für einen Christen und eine Gemeinschaft, als sich vom Götzen des Reichtums blenden zu lassen, der einen an eine oberflächliche und zum Scheitern verurteilte Lebenseinstellung bindet.“ So schreibt Papst Franziskus in seiner Botschaft für den VI. Welttag der Armen vom 13. Juni 2022. Der Welttag der Armen wird am 13. November 2022 begangen, die Botschaft dient der Vorbereitung.
Das absolut gesetzte Geld bewirkt es, dass die Beziehung zum anderen abgebrochen wird. Dieser Abbruch führt dazu, dass der andere wirklich arm wird. Die Einengung von Beziehungen bildet ja einen Begriffsinhalt des Begriffes arm. Dies zeigt ein Blick in die Herkunft des Wortes arm im Deutschen. Arm leitet sich ab von der indogermanischen Wurzel arbo, griechisch orphanos ab, verwaist, vereinsamt und damit bemitleidenswert bedeutet. Arm ist also jemand, der auf keine Beziehung zurückgreifen kann, mit der es ihm gelingt, seinen Zustand des Mangels zu beheben.
Papst Franziskus gibt ja auch zu bedenken: „Es ist nicht der Aktivismus, der rettet, sondern die aufrichtige und großherzige Aufmerksamkeit, mit der man sich einem armen Menschen als Bruder nähert, der seine Hand ausstreckt, damit ich aus der Lähmung, in die ich gefallen bin, erwache.“ Es geht darum, diese Beziehung aufzubauen, eine Beziehung, an der uns das absolut gesetzte Geld hindert. Arm für den anderen zu werden, wie Christus für uns arm geworden ist, bedeutet in diese Beziehung zu treten.
Ein Franziskanerbruder sagte mir einmal, dass die selbst gewählte Armut für ihn eine Aufforderung sei, dass er sich angewiesen mache auf die Beziehung zum anderen. Und diese Beziehung mache reich, ihn und den anderen.
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