Eva strickt in atemberaubendem Tempo, ihre Freundin stellt bewundernd fest: „Das Tempo, das du an den Tag legst, alle Achtung! Warum gehst du es so schnell an?“ Die Antwort Evas: „Ich muss schnell sein, damit die Socken fertig sind, bevor die Wolle zu Ende ist.“
Versuchen nicht auch wir oft schneller zu stricken, um dem Ende der Wolle zuvorzukommen? Wir setzen oft auf Geschwindigkeit und Beschleunigung, um damit unsere Begrenztheit zu überwinden. In der Beschleunigung soll noch möglichst alles erreicht werden. Aber auch, wenn wir schneller stricken, die Wolle wird nicht ausreichen, wenn zu wenig von ihr vorhanden ist. Wir haben höchstens etwa Unvollendetes früher.
Die Gattin des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, Elke Büdenbender, hatte eine schlimme Nierenkrankheit. In dieser Zeit fühlte sie sich gehetzt, wie sie in einem Interview sagt. „Ich schien meine Krankheit in den Griff bekommen zu haben, aber unterschwellig war ich wahrscheinlich getrieben von dem Gefühl, Tempo machen zu müssen, weil das Leben jederzeit zu Ende sein konnte. Aber ich habe mich nicht bewusst gefragt, ob ich richtig lebe.“
Durch eine Nierentransplantation, die Niere wurde ihr von ihrem Mann gespendet, konnte sie dann ihre Gesundheit wiedererlangen. Mit dem Transplantationschirurgen Eckhard Nagel hat sie das Buch „Der Tod ist mir nicht unvertraut“ herausgegeben. Im angesprochenen Interview mit den beiden Autoren erzählt Nagel vom Tod seines 96 Jahre alten Vaters. Dieser habe sich „fünf oder sechs Wochen lang innerlich darauf vorbereitet, dass ihm offenbar der Tod bevorstand. Er hatte sich entschieden loszulassen. Wenn es mein Schicksal erlaubt, würde ich es auch gern können: loslassen, wenn es so weit ist.“
Es sind zwei Wege des Umgangs mit der Begrenztheit des Lebens, die sich in diesem Interview zeigen. Der eine besteht darin, in Hektik noch alles herausholen zu wollen, auch das, was gar nicht möglich ist, der andere, im Loslassen das zu gewinnen, was das Richtige und Gute ist.
Im Evangelium vom Sonntag heißt es: „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen“. Diesen Ausdruck „mit allen Kräften“, man könnte ihn so deuten, wie es Eva beim Stricken macht, nämlich die Geschwindigkeit erhöhen. Mit der Hektik lenken wir aber oft nur vom Richtigen ab und sperren uns so vom Heil aus, laufen am Tor vorbei, das der Herr des Hauses uns geöffnet hatte. Wir übersehen das Notwendige, das wir mit allen Kräften, und das ist auch das Loslassen, tun sollten.
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