„Sie wollen etwas über Ihren Zukünftigen wissen?“, fragt die Wahrsagerin die junge Frau. Ihre Antwort: „Nein, aber etwas über die Vergangenheit meines Gegenwärtigen.“ Wir leben heute oft in die Gegenwart hinein und lassen uns nur von ihr und der Vergangenheit bestimmen, wenn es um die Zukunft geht. Das hat auch damit zu tun, dass wir Zukunft nicht so sehr als etwas sehen, was wir erwarten sollen, sondern als etwas, das von uns ausgeht. Über diese Sicht wird oft die Vergangenheit für uns bestimmend, und die Vergangenheit wird ein Mittel, um auch Macht über die Gegenwart und Zukunft des Anderen auszuüben.
„Warum erinnerst du mich immer daran, dass ich diesen Fehler gemacht habe? Du hast doch versprochen, ihn zu vergessen!“ So sagt eine Frau vorwurfsvoll zu ihrem Freund. Dieser darauf: „Ich habe deinen Fehltritt ja vergessen, ich wollte dich nur auf ihn aufmerksam machen, damit du ihn nicht vergisst.“ So wird die Vergangenheit dem anderen zum Vorwurf gemacht, und das wirkt blockierend auf einen Neuanfang. Nicht dass wir vergessen sollen und können, aber es gilt, das Vergangene nicht bestimmend für unser Handeln zu machen.
Um das zu erreichen, braucht es auch einen Abstand zwischen dem, was geschehen ist, und dem, was da kommen soll. Ein solcher Abstand, der verhindert, dass wir vom Vergangenen überwältigt werden, wird durch Warten und Erwarten geschaffen. Nicht warten zu können bedeutet in vielen Fällen, sich von dem, was sich aus der Vergangenheit ergibt, beherrschen zu lassen und dadurch die Zukunft zu verlieren. In diesem Öffnen der Zukunft durch Warten steht der Advent. Uns, denen oft nicht bewusst ist, dass wir Gott brauchen, bietet sich im Warten die Möglichkeit, unseren Sinn auf den zu richten, der da kommen soll. Dadurch werden wir auch losgelöst von der Vorstellung, die Zukunft nur über uns, unsere Vergangenheit und Gegenwart, schaffen zu können. Gott kann uns herausführen aus diesem Verstricktsein in das immer schon Vorgegebene.
Es ist so, wie wenn ein von sich Eingenommener seinen Eltern zu seinem eigenen Geburtstag, schreibt: „Ich gratuliere euch anlässlich meines Geburtstages, dass ihr mich geboren habt.“ Hier wäre Dank angebracht und nicht Gratulation. Der Dank für das, was war, kann aber durch Warten auf das bezogen werden, was kommen soll. Warten richtet unseren Blick nach vorn, nach dem, was wir sein und noch werden können, wenn der mit uns geht, der da kommen soll. Diesen Heiland erwarten zu können, bedeutet die Möglichkeit, ein Leben in Fülle zu gewinnen.
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