Liebe Diözesanfamilie, Schwestern und Brüder im Herrn!
Es gibt Orte, die den Menschen faszinieren. Das sind existentielle Orte, Lebensorte, Orte der Begegnung mit sich selbst, mit Gott und den anderen. Der See, die Wüste, der Berg, biblische Orte, Orte im Leben Jesu und Umschlagplätze christlicher Berufung. Die biblischen Texte der Fasten- und Osterzeit reden davon.
See.
Am Ufer des Sees beruft Jesus seine ersten Jünger. Sie fahren hinaus auf den See, um die Netze auszuwerfen. Er geht über den See, die Wellen der Angst schlagen über den Jüngern zusammen. Am Ufer des Sees erkennen die österlichen Zeugen den Auferstandenen. Und oft lehrt er die Menschen vom Boot aus.
Nicht nur das Burgenland ist von der Austrocknung der Seen, von mangelnden Wasserressourcen, von verdorrten Ackerböden heimgesucht, diese Sorge holt uns weltweit ein. Wie wird Zukunft sein? Christen dürfen die Augen nicht verschließen, sie müssen eingestehen, auch der Wasserstand unseres Christseins ist niedrig. Christliches Leben ist für nicht wenige Christen eine neue Beliebigkeit. Glauben und Leben haben sich entfremdet, Gott kommt im Alltag kaum noch vor. Können wir beten? Werden Sonn- und Feiertage gefeiert? Es gibt nicht nur einen Priestermangel und einen Mangel an Ordensberufungen, sondern auch und vor allem einen Mangel an Gläubigen und Gottsuchenden.
Die Kirche, die Gesellschaft, die Welt erleben derzeit eine unruhige See, die Wellen der Überforderung setzen uns zu: Die Pandemie, die Spaltung der Gesellschaft, der Ukrainekrieg, die Migration, der fehlende Friede, all die schrecklichen Zumutungen dieser Welt. Die Teuerung, die Verarmung, die Vereinsamung trotz der sozialen Kommunikation, die psychische Überreizung, der raue Umgangston in der Politik mit seiner populistischen Fratze und die vielen persönlichen Nöte und Sorgen.
Am Ufer des Sees hat Jesus seine Jünger zur Nachfolge gerufen.
Das Taufwasser, in der Osternacht geweiht, erinnert die Christen daran, dass uns in Taufe und Firmung Großes geschenkt wurde. Christsein heißt, in der Spur Jesu bleiben. Christliches Leben darf nicht austrocknen, der christliche Wasserpegel in der Gesellschaft darf nicht absinken.
Ich danke allen, die sich mutig dafür einsetzen, dass das Christentum bei uns morgen nicht nur ein Relikt sein wird und dass geistliche Berufungen nicht nur eine Wirklichkeit von gestern sind.
Wüste.
Nicht nur die Fastenzeit vor Ostern ist eine Wüstenzeit, die Wüste ist mehr als Geografie, sie ist existenziell. Jesus wurde vom Versucher in die Wüste geführt. Wüste heißt: Herausforderung, Entbehrung, Ringen und Kampf, Umkehr, Risiko und Chance, aber auch Neubeginn. Wüsten erleben wir in unserem persönlichen Leben, in Kirche, Beruf und Gesellschaft. Wüste ist ein Nein zu Gier nach Reichtum, Ehre und Macht und eine Einladung zum Lebensstil Jesu. Dieser Stil ist einfach, lebensnahe und alternativ, vor allem unkompliziert. So heißt es von den ersten Christen in der Apostelgeschichte: „ Gläubigen hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten. Sie verkauften Hab und Gut und teilten davon allen zu, jedem so viel, wie er nötig hatte.“
Franziskus ermutigt unermüdlich zu einem solchen Lebensstil, damit das gemeinsame Haus unserer Welt nicht rücksichtslos ausgebeutet wird, sondern Gottes Schöpfung und ihre Schönheit zum Tragen kommt. Die kleinen Schritte im täglichen Leben können revolutionär, vielleicht auch ein Kennzeichen der Christen sein.
Der Berg.
Jesus steigt auf den Berg, er zieht sich zurück, um allein zu sein und zu beten. Auf dem Berg Tabor, dem Berg der Verklärung, nimmt er nur einige der Seinen mit, sie schauen die Herrlichkeit Gottes und das Ziel, das über allen Wegen liegt. Seine Bergpredigt bleibt die Magna Carta des Christseins.
Auf dem Hügel Golgotha ist Jesu Kreuz aufgerichtet, seine Himmelfahrt vor den Augen der Jünger auf einem Berg in Galiläa wird zur Geburtsstunde der Kirche.
Der Berg als herausragender Ort mit seiner Weite ist auch uns nicht fremd. Feste, Sonntage, Feiertage, Wallfahrten, die Feier der Sakramente, die Gotteshäuser, sind besondere Orte der Begegnung des Menschen mit Gott, sie führen aus dem Alltäglichen, der Gleichmacherei, der Ich-Bezogenheit heraus und holen in die Nähe und Gegenwart Gottes. Davon lebt der Glaube, von der Begegnung mit ihm.
Schwestern und Brüder, wir erleben diese drei biblischen Orte im Alltag des Christseins:
Das Wort Jesu am See: „Komm, folge mir nach!“, meint uns, denn durch Taufe und Firmung sind wir berufen.
Die Wüste spricht: „Kehr um und glaub an das Evangelium!“, denn der einfache Lebensstil Jesu ist faszinierend und lebbar!
Der Berg als Ort der Begegnung mit Gott, erinnert an die bleibende Zusage des Auferstandenen: „Fürchtet euch nicht. Ich bin mit euch alle Tage!“, denn der Glaube lebt aus Gottes Gegenwart.
Und dazu unsere gemeinsame österliche Bitte mit den Emmausjüngern auf den verschlungenen Wegen unseres Lebens: „Bleibe bei uns, Herr!“
Diese Bitte ist zugleich mein Osterwunsch an Euch alle!
Dank, Bitte und Einladung runden auch meinen Osterbrief ab.
Danke für die Unterstützung der Hilfsaktion für die Stadt Charkiw in der Ukraine „Fenster für Frierende“. 40.000,- EUR konnten dem Bischof von Charkiw als gemeinsame Martinstat von Land und Diözese übergeben werden.
Auch in diesem Jahr bitte ich um Eure großzügige Unterstützung für unsere Fastenaktion, damit wir weiterhin vielen Menschen in Not helfen können.
Und schließlich lade ich anlässlich meines 60. Geburtstages zum Dankgottesdienst am 15. April, am Samstag in der Osterwoche, um 10.00 Uhr in den Martinsdom ein.
Mit den besten Osterwünschen und Segensgrüßen
+ Ägidius
Bischof von Eisenstadt