In Klingenbach erinnern sich ältere Leute noch, dass in der Familie von Verwandten erzählt wurde, die zur Muttergottes nach Mariazell gepilgert sind. Sie nahmen sich ein wenig Verpflegung mit, gingen zu Fuß, übernachteten in Scheunen und halfen den Bauern als Lohn für Unterkunft und Verpflegung oder bekamen es für ein „Vergelts‘ Gott!“, getrunken wurde unterwegs aus Brunnen. Nach ihrem Aufenthalt in Mariazell kehrten sie auf demselben Weg nach Hause zurück.
Nach dem Bau der Eisenbahn nach Mariazell im Jahr 1909 wurden die Gläubigen mit Wagen zu den Bahnhöfen Baumgarten oder Wulkaprodersdorf gebracht, von dort ging es mit dem Zug nach Wiener Neustadt und dann weiter nach Mariazell. Nach der Rückkehr von Mariazell fuhren die Wagen erneut zum Bahnhof, um sie abzuholen, und das Volk wartete bei der Dorfeinfahrt. Von dort zogen sie in einer Prozession zur Kirche, Mädchen in weißen Kleidern, mit Krönchen auf dem Kopf und brennenden Kerzen in den Händen. Nach dem Zweiten Weltkrieg fuhren die Pilger mit Autobussen.
Nachdem viele Gläubige eine eigene Mariazellwallfahrt wünschten, organisierten Stefan Eisner und Johann Vlasits im Sommer 1996 vom 30. Juni bis 2. Juli eine Fußwallfahrt mit einer kleinen Gruppe. In den ersten Jahren übernachteten die Fußwallfahrer am ersten Tag in Willendorf, gingen weiter nach Grünbach, Puchberg, dann über die Mamau-Wiese nach Schwarzau, wo sie übernachteten, bis sie am dritten Tag über das Gschaidl, und über Terz Mariazell erreichten. Dieser Weg wurde im Laufe der Jahre viele Male geändert. Bernhard Karall, der 20 Jahre lang mit den Klingenbachern nach Maraizell pilgerte, nutzt jede Gelegenheit, um auch mit anderen Gruppen nach Mariazell zu gehen und so pilgerte er bereits 85mal zur Muttergottes. Er kümmert sich schon lange um bessere Wegvarianten. So geht es nun nicht mehr über Willendorf, sondern durch die viel schönere Johannesbachklamm und übernachtet wird in Nasswald oder Mitterhof. Die letzten Jahre ist man statt drei nun vier Tage unterwegs, vor allem wegen der Quartiere. Anstelle über den Lahnsattel und Terz geht es über Frein, wo übernachtet wird, und am letzten Tag über Mooshuben nach Mariazell.
Seit 1996 pilgert die Gruppe aus Klingenbach ohne Unterbrechung nach Mariazell, und es wird auch ein Bus für die Gläubigen organisiert, die das letzte Stück des Weges zu Fuß zurücklegen können bzw. mit dem Bus weiterfahren. Die Gruppen bestehen aus 20 bis 45 Personen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Fahrern der Fahrzeuge zu, die die Pilger auf dieser rund 120 km langen Strecke mit Verpflegung und Erfrischungen versorgen. Unterwegs wird der Rosenkranz gebetet, Marienlieder gesungen und Gebete vor den Marterln gehalten.
Ein besonderes Erlebnis hatten Pilger im Jahr 2016, als am Tag ihrer Ankunft in Mariazell die heilige Messe für den verstorbenen Otto von Habsburg vor dem Begräbnis in Wien abgehalten wurde.
Etwas Besonderes war es, als die Wandermuttergottes im Jahr 2010 zurückgebracht wurde: Kleine Gruppen von Fußwallfahrern trugen die Statue nachts in einem Staffellauf in 24 Stunden von Klingenbach nach Mariazell.
WallfahrerInnen erinnern sich auch gerne an lustige Ereignisse. Es war ein schöner Brauch, dass nach dem Abendessen gesungen wurde und – egal wie müde die Beine waren – auch eine wenig getanzt wurde („Polstertanz“).
Auf jeden Fall ist die Wallfahrt zur Muttergottes nach Mariazell für jeden ein schönes Erlebnis, man lernt die Mitpilger besser kennen, lässt den Alltagstrott hinter sich und zum Schluss können die Pilger ehrfürchtig und ruhigen Herzens die Basilika betreten und gemeinsam vor dem Gnadenaltar die hl. Messe feiern.
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