Die „jungen Pilgerinnen“ aus Oslip in Mariazell
Die Osliper sind eng mit der Heiligen Jungfrau Maria verbunden. Sie ist die Patronin, Hüterin und Fürsprecherin des Ortes. Die 700 Jahre alte Osliper Kirche war lange Zeit der bekannteste Wallfahrtsort in der Umgebung von Eisenstadt. Als es noch nicht die Wallfahrt nach Loretto oder nach Eisenstadt-Oberberg gab, pilgerten die Kroaten nach Oslip. Aus diesem Grund musste die Kirche im Jahr 1592 erheblich erweitert werden. Aus Steuerlisten wissen wir, dass die Kirche fünf Altäre hatte. Wir können uns also vorstellen, wie groß die Wallfahrten waren. Bei jedem Altar durfte pro Tag nur eine Messe gefeiert werden. Auf einer Säule vor dem Hauptaltar stand eine vergoldete Gnadenstatue der Jungfrau Maria und auf dem Altar war ein Bild der Aufnahme Mariens in den Himmel. Der Hauptaltar wurde beim Angriff der Türken im Jahr 1683 zerstört. Das derzeitige Bild der Himmelskönigin mit dem Kind stammt aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Während der Zeit des Josephinismus endete die Verehrung der Muttergottes von Oslip bei Wallfahrten. Doch noch lange Zeit hingen in der Kirche Krücken und Wachsreliefs von Händen und Füßen sowie andere Devotionalien, die davon zeugten, dass die Menschen hier durch die Fürsprache der Muttergottes von Oslip geheilt wurden. Die Muttergottes, welche Jesus auf ihren Armen trägt, wurde an großen Feiertagen mit einem festlichen Gewand bekleidet. Nachdem Wallfahrten verboten wurden, wurde das Gewand der Kirche in Stotzing gespendet. Und jedes Mal, wenn die Osliper auf Wallfahrt nach Loretto gehen, besuchen sie diese Stotzinger Muttergottes.
Wann die ersten Osliper begannen, zur Mariazeller Muttergottes zu pilgern, ist noch nicht belegt. Die Fotos bezeugen, dass es vor mehr als 100 Jahren gewesen sein muss. Nachdem Oslip ab 1897 eine Bahnstation hatte, können wir davon ausgehen, dass die Bewohner von Oslip von da an mit dem Zug nach Mariazell reisten, wenn sie nicht zu Fuß gingen. Als sich am 4. September 1923 die Kroaten aus 12 Dörfern mit dem Zug von Rattersdorf zur ersten gemeinsamen Wallfahrt von 268 registrierten kroatischen Wallfahrten aufmachten, war vermutlich kein einziger Osliper dabei. Sie schlossen sich den gemeinsamen Wallfahrten erst viel später an.
„Junge Pilgerinnen“
Aus den Aufzeichnungen in der Chronik von Oslip wissen wir, dass die Osliper Mädchen in Mariazell mit ausgebreiteten Armen von der Bahnhofhaltestelle bis zur Basilika zogen. Sie trugen einen Pilgerstab auf ihren Schultern, betraten so die Kirche und legten sich vor der Mutter Gottes nieder. Diese Mädchen, die als Zeichen der Buße ihre Haare lösten und mit offenem Haar in die Kirche einzogen, wurden „junge Pilgerinnen“ genannt. Zum letzten Mal betraten die Mädchen aus Oslip auf diese Weise 1964 die Basilika von Mariazell. Nach ihrer Rückkehr aus Mariazell zogen diese Mädchen in einer Prozession zur Kirche von Oslip. Sie wurden von vielen Dorfbewohnern begleitet. Aus der Chronik wissen wir, dass die Mädchen helle Kleider anhatten, den „Maraizeller-Stab“ der links und rechts mit Blumen geschmückt war trugen, und in den Händen eine brennende Kerze hielten. Auf ihren Köpfen trugen sie eine weiße Wachskrone. In der Kirche, vor dem Altar und vor der Marienstatue, lagen die Mädchen solange auf dem Boden, bis das Volk das Lied: „Lamm Gottes, vergib uns, behüte uns in Deiner Barmherzigkeit, vergib uns alle unsere Sünden. Maria, hilf uns“ zu Ende gesungen hatte. Dann erhoben sie sich und nach einer kurzen Andacht mit dem Segen beendeten sie zu Hause ihre Wallfahrt.
Zusätzlich zu organisierten Wallfahrten reisten einige Osliper auch auf eigene Faust nach Mariazell. So fuhr im Jahr 1956 eine Gruppe von fünf Radfahrern zur Mariazeller Muttergottes (siehe Bild). Sie gehörten zu den ersten Kroaten, die sich über die steirischen Berge mit dem Fahrrad zur Wallfahrt aufmachten.
Die Wandermuttergottes von Mariazell
Anlässlich des 50. Jahrestages der gemeinsamen kroatischen Wallfahrt nach Mariazell wurde dem langjährigen Organisator dieser Wallfahrten, Prälat Martin Mersits, dem Jüngeren, eine Kopie der Mariazeller Gnadenmutter geschenkt. Seitdem wird diese Kopie von Dorf zu Dorf gereicht. Im Jahr 1987 kam sie aus Allersdorf in der Pfarre Neumarkt im Tauchental nach Oslip und ein Jahr später übergaben sie die Osliper an die Pfarre Schachendorf. Oslip erhielt sie im Jahr 2014 zum zweiten Mal. Mittlerweile ist die Verehrung der Wandermuttergottes von Mariazell sehr gewachsen. Im Jahr 2014/2015 gab es 34 organisierte Wallfahrten nach Oslip – darunter die erste Tamburizza-Wallfahrt – und 32 Prozessionen, insgesamt kamen 6.000 Pilger aus 39 verschiedenen Pfarren des Burgenlandes, Wien, Ungarn, der Slowakei und Niederösterreich, um zur Jungfrau Maria zu beten.
Zu Fuß nach Mariazell
Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, wann Pilgergruppen aus Oslip zum ersten Mal zu Fuß nach Mariazell gegangen sind. Aber wir wissen, dass sich die Gruppe von Oslipern ab 1995 jedes Jahr auf die 140 km lange Reise zur Alma Mater Gentium Slavorum (Barmherzige Mutter aller Slawen) nach Mariazell aufmachte. Dieses Jahr werden es wieder 20 Personen sein. Begleiten wird sie das Pilgerkreuz, das von Hand zu Hand geht. Getragen wird es von dem, der in Stille, verbunden mit der Natur, zum Gekreuzigten um die Erfüllung seiner Anliegen beten will, deren wegen er sich zu Fuß auf den Weg zu Himmlischen Mutter, der Mariazeller Muttergottes gemacht hat, welche auch im Heimatort als Muttergottes von Oslip verehrt und anrufen wird.
Foto: Franz Schuster, Gerhard und Engelbert Schumits, Mirko Sinovats und Karl Schuster fuhren mit dem Fahrrad zum Treffen nach Mariazell.
Fotos: Günter Schumich/jč/HN/Anna Scherfler