Predigt von Diözesanbischof Dr. Ägidius J. Zsifkovics in Mariazell zum Jubiläum " 100 Jahre gemeinsame Kroatenwallfahrt in Mariazell"
Liebe Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensmänner, Ordensfrauen und Theologen! Liebe Ehrengäste und Vertreter aus Politik und Gesellschaft! Meine lieben Landsleute, Kroaten aus dem Burgenland, Ungarn und der Slowakei sowie aus unserer alten Heimat Kroatien, Bosnien und Herzegowina! Liebe Pilger und Verehrer der Mariazeller Muttergottes!
Die Geschichte besagt, dass die Kroaten, als sie sich vor 500 Jahren in unserer pannonischen Gegend niederließen, eine Pilgerfahrt zur Gottesmutter von Mariazell unternahmen. Heuer sind es 100 Jahre, dass wir Kroaten aus Österreich, Ungarn und der Slowakei gemeinsam nach Mariazell pilgern. Und wir feiern zugleich 50 Jahre, dass die Wandermuttergottes von Mariazell unsere Pfarren besucht. Die ersten Pilger gingen zu Fuß nach Mariazell. Bis heute gehen viele zu Fuß nach Mariazell, andere kommen mit der Bahn, dem Bus, dem Auto, dem Fahrrad, dem Motorrad oder dem Traktor. Im Evangelium hören wir, dass auch Maria zu Fuß gegangen ist um Elisabeth zu besuchen.
Was ist wichtig für die Fußwallfahrer auf dem Weg nach Mariazell? Ich denke, an drei Dinge:
Erstens - brauchen wir ein gutes und festes Schuhwerk, das zu unseren Füßen passt, und für trockenen, nassen, schmutzigen, steinigen Untergrund geeignet ist. Gutes und festes Schuhwerk ist auch ein Symbol für unseren Lebens- und Glaubensweg, der nicht immer gerade und einfach, sondern oft holprig, schmerzhaft und schwierig ist. Dieser Weg kennt Tiefen und Höhen. Manchmal gehen wir langsam, manchmal schnell, und manchmal schleppen wir uns dahin, bleiben stehen und wissen nicht, wie es weitergeht. Gute und solide Schuhe können auch Familie, Glaube und christliche Werte sein – auf diesem Fundament steht unsere Gesellschaft, unsere Kirche und unser gemeinsames Leben.
Zweitens - brauchen wir einen Rucksack. Die Fußwallfahrer packen in ihren Rucksack nur das Nötigste und Wichtigste für den Pilgerweg ein, damit er nicht zu schwer wird und sie keine unnötigen Lasten mit sich herumschleppen.
Der Rucksack ist auch ein tiefes Symbol für unser Leben und unseren Glaubensweg. Wie viele unnötige Lasten tragen wir mit uns herum? Unsere moderne Lebensweise zwingt und belastet uns oft, sodass wir das Wesentliche und Wichtige des Lebens nicht sehen und aus den Augen verlieren. Wir sind Sklaven des modernen Lebens geworden, deren Motto lautet: höher, schneller, schöner und besser. In diesem Bestreben für ein erfolgreiches und besseres Leben verlieren wir unsere Menschlichkeit, den Blick für den Nächsten und unsere Verantwortung füreinander.
Der Rucksack erinnert uns an einen bescheidenen Lebensstil, wo Platz ist für den Nächsten, besonders für den Armen, den Bedürftigen aber auch für die Gemeinschaft. Im Rucksack bringen wir der Muttergottes unsere Freuden und Sorgen, unsere Tränen, Schmerzen und Leiden, unsere Erfolge und Misserfolge, unseren guten Willen und unsere Schwäche.
Drittens - brauchen wir auch ein Stock. Fußwallfahrer sind mit einem Stock in der Hand zu sehen. Den Pilgerstab aus Mariazell kennzeichnet ein Kreuz. Papst Benedikt XVI kam mit dem Pilgerstab in die wunderschöne Basilika und betete im Jahr 2007 hier vor dem Gnadenaltar. Der Pilgerstab von Mariazell ist ein tiefes Symbol für unser Leben und unseren Glauben.
Der Stock ist für die Fußwallfahrer eine wichtige Hilfe und Stütze auf dem Weg, wenn sie müde, erschöpft, unsicher sind und wanken, damit sie sich festhalten und stützen können.
Das Kreuz auf dem Mariazeller Pilgerstab erinnert uns Christen an das Ziel unserer Pilgerreise, das uns Maria hier in Mariazell am Gnadenbild zeigt, indem sie mit dem Finger auf ihren Sohn Jesus Christus zeigt. Für uns Gläubige sind der Glaube, das Wort Gottes, die Eucharistie, das Gebet, die Sakramente – sind sie der Pilgerstab, Stütze in unserem Leben. Sind wir nicht oft versucht, diesen Pilgerstab immer seltener zu gebrauchen oder ihn ganz loszulassen?
Es ist kein Wunder wenn wir dann im Leben herumirren und wanken, wenn wir die Orientierung und den Sinn des Lebens verlieren!
Geben wir diesen Stab des Glaubens unseren Kindern und Jugendlichen in die Hände und nicht nur Geld, Handys und die neuesten technischen Dinge! Was nutzt uns das alles wenn wir Glaube, Hoffnung, Liebe und Gemeinschaft verlieren?
In früheren Zeiten benutzten Pilger diesen Stock auch, um sich zu verteidigen. Die Gefahren unserer Zeit sind nicht geringer als die der Vergangenheit, sie sind nur anders: Säkularismus, Fundamentalismus, Populismus, Konsumsucht, religiöse Oberflächlichkeit und für uns Kroaten Anpassung, Verlust der Sprache und der Gemeinschaft.
Gerade die Mariazeller Muttergottes und diese Wallfahrt verbindet unser Volk und drei Länder, damit nichts verloren geht, dass der Glaube gepflegt, die Sprache und die Kultur an Kinder und Jugendliche weitergegeben wird. Allen, die in unseren Familien, Gemeinde, in Gesellschaft, Schule, Politik und Medien, auch in der Kirche dazu beitragen, sage ich hier vor der Muttergottes von Mariazell großen DANK und VERGELT‘S GOTT. Wir werden nicht mit schönen Worten, Versprechungen und Subventionen überleben, sondern wir brauchen Menschen, die ihr Volk lieben, ihren Glauben leben und ihre Sprache und Kultur pflegen.
Ich beende meine Predigt mit der neuen Hymne an die Muttergottes von Mariazell, die unser Pastoralassistent Ivo Šeparović komponiert hat. Ihm danke ich für die Komposition! Dieses Lied ist unsere gemeinsame Bitte und unser gemeinsames Gebet, welches ich der Mariazeller Muttergottes ans Herz lege und um ihre Fürsprache für die kommenden hundert Jahre bitte, damit unser Volk weiterhin bestehen und andere in diesem pannonischen Raum bereichern kann und eine kleine aber feste Brücke und ein Vermittler für Frieden und Versöhnung im Herzen Europas ist.