Der 2. Februar 1947 ist in Österreichs Kirchengeschichte ein denkwürdiges Datum: Der Franziskanermönch Petrus Pavlicek soll an diesem Tag in ein einfaches Schreibheft eine Handvoll Freunde, Bekannte und Ordensfrauen notiert haben, die sich dazu verpflichten wollten, täglich den Rosenkranz für den Frieden zu beten. 75 Jahre später gibt es die damals gegründete Gebetsgemeinschaft, die den Namen "Rosenkranz-Sühnekreuzzug" (RSK) erhielt, noch immer - mit 300.000 aktiven Mitgliedern aus aller Welt. Wurde einst um ein Ende der Besatzung durch die Alliierten gebetet, stehen heute die Verwerfungen rund um Corona, das Weltklima und die Flüchtlingskrise im Fokus.
Die Schaltzentrale der international weitverzweigten Gebetsbewegung findet man nach wie vor im Gemäuer des Wiener Franziskanerklosters. Hier wird die vierteljährliche kostenlose Zeitschrift "Betendes Volk Gottes", ein Newsletter und die Homepage redigiert, Großveranstaltungen wie die jährliche Maria-Namen-Feier im September organisiert.
Nur wenige Schritte von den Büros entfernt ist das Grab von P. Petrus Pavlicek, mit dessen bewegter Biografie die Gebetsgemeinschaft eng verknüpft ist. Dabei sollte der Werdegang des Gründers vorerst kaum auf sein späteres Wirken deuten. 1902 in Innsbruck als Otto Pavlicek geboren, verlor er bereits als Zweijähriger die Mutter und wuchs bei seinem Vater - einem k.u.k. Offizier - auf, der mit seinen zwei Söhnen nach Wien und später Olmütz übersiedelte.
Nach der Schule und Matura verdiente sich Otto in der Möbelfabrik Thonet, trat 19-jährig sogar aus der Kirche aus, leistete den Militärdienst und war schließlich Elektrotechniker in Prag.
Weitere Stationen waren Cambridge, Brünn und erneut Prag, wo Pavlicek schwer erkrankte und nach seiner Genesung 1935 wieder in die Kirche eintrat. Bestärkt von einer Begegnung mit der katholischen Mystikerin Therese Neumann (1898-1962), entschloss er sich, Priester und Franziskaner zu werden. Inmitten des Zweiten Weltkriegs 1941 zum Priester geweiht, wurde er wenig später von der Gestapo als NS-Wehrdienstverweigerer angeklagt, dann aber freigesprochen und als Sanitäter an die Westfront geschickt.
Im August 1944 geriet er in Frankreich in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft und war dort Lagerpfarrer. Nach Kriegsende wurde er im Juli 1945 entlassen, kam nach Wien und wirkte als Seelsorger der Sudentendeutschen und Volksmissionar.
Zum Schlüsselmoment wurde schließlich eine Wallfahrt nach Mariazell, wo Pavlicek im Sommer 1946 der Heiligen Jungfrau Maria für seine Heimkehr danken und zugleich angesichts der weiterhin bedrückenden politischen Lage beten wollte. "Tut, was ich euch sage, und ihr werdet Frieden haben" glaubte er vor dem Gnadenaltar ihre Stimme innerlich zu hören. Unter dem Eindruck der Marienerscheinungen von Fatima, von denen er erstmals als Kriegsgefangener erfahren hatte, wuchs in ihm die Idee, eine Gemeinschaft von Rosenkranzbetern zu gründen. Die Beteiligten sollten um die Bekehrung der Menschen zu Gott, ebenso aber auch um Frieden in der Welt und ganz besonders die Freiheit Österreichs beten. Ursprünglich plante Pavlicek ein nie abreißendes Friedensgebet, wofür er bei den ersten Mitstreitern noch die genaue Uhrzeit ihres täglichen Gebetsvorsatzes vermerkte.
1949 schloss sich Pavliceks Gemeinschaft mit der in Linz entstandenen Bewegung "Sühnekreuzzug" zusammen und erhielt - nun unter der Bezeichnung "Rosenkranz-Sühnekreuzzug" - die Empfehlung durch die Bischofskonferenz. Angetrieben von der Sorge vieler Menschen um die Zukunft des besetzten Österreichs, wuchs die Zahl der Beter bis 1950 auf 200.000 an, fünf Jahre später waren es eine halbe Million. Pavlicek lud monatlich zu "Sühneandachten", rief bei politisch brenzligen Lagen zu mehrtägigen "Sturmgebeten" und schließlich zu großen Bittprozessionen über die Ringstraße zum Maria-Namen-Fest mit bis zu 80.000 Beteiligten. Auch Bundeskanzler Julius Raab und Außenminister Leopold Figl gingen damals - mit Rosenkranz und Kerze in der Hand - im Zug hinter einer von Pavlicek auf abenteuerliche Weise aus Fatima gebrachten Marienstatue mit.
Für die damalige Regierungsspitze bestand daran kein Zweifel, denn ohne die Gebete derart vieler Menschen "hätten wir es wohl nicht geschafft", soll Raab damals gesagt haben. Im Jahr 1954 kam es auch zur Wiedereinführung des Mariä-Empfängnis-Festes am 8. Dezembers als offizieller Feiertag.
Der spätere Regensburger Bischof Rudolf Garber brachte den Rosenkranz-Sühnekreuzzug nach Deutschland, wo sich rund um den Zeitpunkt der Errichtung der Berliner Mauer 1961 über eine Million Menschen beim Rosenkranz-Sühnekreuzzug eintragen ließen und 80.000 zu einer Fatima-Rosenkranzfeier in württembergischen Weingarten versammelten. Auch in der Tschechoslowakei formierten sich ähnliche Bewegungen. Viele Menschen schreiben diesen Gebeten Einfluss auf die "große Wende von 1989" zu.
Als P. Pavlicek 1982 starb setzt sein bisheriger Assistent P. Mikocki (89) die Arbeit fort. 2015 wurden der RSK zur kirchlichen "Chefsache", als Kardinal Christoph Schönborn als Ortsbischof die rechtliche und der Salzburger Erzbischof Franz Lackner die geistliche Patronanz übernahmen. Für P. Petrus Pavlicek läuft das 2002 auf Wiener Diözesanebene abgeschlossene Seligsprechungsverfahren in Rom weiter.
Zum 75-jährigen Bestehen ist am 2. Februar, dem Jahrestag der Gründung, ein Festgottesdienst mit Ordensprovinzial P. Fritz Wenigwieser in der Wiener Franziskanerkirche. An demselben Ort lädt die Gemeinschaft auch an jedem dritten Sonntag im Monat zum "Gebet für die Kirche, für Österreich und die Welt" ein.
Weitere zentrale Termine sind eine Fatimafeier mit Domdekan Rudolf Prokschi am 13. Mai im Wiener Stephansdom, ein "Gebet für Österreich" mit Weihbischof Franz Scharl zum Jahrestag der Staatsvertragsunterzeichnung am 15. Mai, eine Buswallfahrt am 9. Juli nach Mariazell und die traditionelle Maria-Namen-Feier am 10./11. September. Das Jahr endet mit einer Gedenkmesse für verstorbene Mitglieder und Freunde des RSK am 5. November, einem "Festmahl für die Armen" zum 90. Geburtstag von P. Mikocki (18. November), einer Gedenkmesse zum 40. Todestag von P. Petrus Pavlicek am 14. Dezember, sowie einem abschließenden Pontifikalamt am 18. Dezember mit Kardinal Christoph Schönborn.
(Details: www.rsk-ma.at)