Pinkafelder Orgelgeschichte
Zur Zeit der Fertigstellung und Weihe der neu erbauten katholischen Stadtpfarrkirche in Pinkafeld im Jahre 1786 fehlt hinsichtlich der Kirchenausstattung nur noch eine dem Kirchenraum entsprechende neue Orgel.
Man wandte sich an Josef Klügel (1745-1812) in Güns (heute Köszeg). Hier hatte Johann Jakob Jetter (1743-1787) 1771 eine Orgelbauwerkstatt eröffnet, aus der schon etliche neue Instrumente hervorgegangen waren. Der plötzliche Tod Jetters im Jahr 1787 machte diesem Schaffen ein jähes Ende, das allerdings durch Josef Klügel, der schon bei Jetter gearbeitet hatte, in Form der Übernahme dieses Betriebes, zu einem Neuanfang führte.
Josef Klügel hatte in Pinkafeld nun Gelegenheit, eine große Orgel zu bauen, erledigte sich 1790 dieses Auftrages in besonderer Weise. Auch wenn das klingende Werk seit 1966 nicht mehr vorhanden ist, so legt allein schon das monumentale spätbarocke Gehäuse – der prächtigste Orgelprospekt, der damals in der Region gebaut wurde – ein hervorragendes Zeugnis von der Kunstfertigkeit und Meisterschaft dieses Orgelbauers ab. Im Jahr 1794 konnte Klügel in der Wallfahrtskirche Maria Weinberg den Pinkafelder Orgeltyp nochmals in etwas verkleinerter Form errichten, auch hier ist seit 1968 nur noch der Prospekt erhalten.
Die überlieferte Werkzeichnung des Meisters zeigt, dass Klügel seinen Entwurf regelgetreu umgesetzt hat.
Hauptwerk und Pedal wurden in einem zweigeschossigen, im oberen Teil fünfachsigen Gehäuse untergebracht, das Positiv mit einem dreifeldrigen Gehäuse in der Emporenbrüstung ruht auf einem breitgefächerten Blattkelch.
Zwei, außen von Säulen begrenzte, große Pfeifenfelder umfassen den dreifeldrigen Mittelteil, dessen Wirkung mit einem verjüngten Oberwerk noch gesteigert wird. Diesem Mittelteil des Hauptwerks entspricht das Positiv in der Emporenbrüstung mit gegenläufigen Gliederungen, also hohen Seitenfeldern und niedrigem Mittelfeld.
Die repräsentative Gliederung mit schwungvollen Gesimszonen, Blattranken und vergoldeten Akanthusranken als Schleierbretter, wird mit abschließenden Vasen gekrönt. Zuoberst jedoch dirigiert in Andeutung der „Himmelsmusik“ eine Engelsfigur weitere Figuren mit Musikinstrumenten.
Dem klassischen Werksprinzip des Gehäuses entspricht das musikalische Werk im Inneren, das immerhin bis 1966, wenn auch nicht ganz unverändert, erhalten blieb. Noch im Inventar von 1859 wird die ursprüngliche Konzeption mit 18 Registern bestätigt: „Chorus muratus cum Organo 18 mutationem“, also eine gemauerte Musikempore mit einer Orgel und 18 Registern.
Erst Arnulf Klebel überliefert uns 1961 die Disposition dieses Instruments:
I. Manual/Hauptwerk
(C kurz – c‘‘‘, 45 Töne)
Prinzipal 8‘
Gamba 8‘
Bordun 8‘
Superoktav 2‘
Mixtur III 1 1/3‘
Zimbel III 1‘
dazu im Oberwerk:
Oktave 4‘
Quinte 2 2/3‘
II. Manual/Positiv
(C kurz – c‘‘‘, 45 Töne)
Gedeckt 8‘
Prinzipal 4‘
Flöte 4‘
Oktave 2‘
Quint 1 1/3‘
Oktav 1‘
Pedal
(C-H, 12 Töne)
Subbass 16‘
Oktavbass 8‘
Violonbass 8‘
Quintbass 5 1/3‘
Besonders aufwändig erfolgte die Gliederung der Prospektfelder. Im Hauptwerk fanden sich die Register Prinzipal 8‘ und Gamba 8‘, abwechselnd (also einmal Prinzipal, dann Gamba, usw.), wobei von Prinzipal 8‘ der Bestand C-h° im Prospekt stand, von Gamba 8‘ hingegen C-b°, also 20 und 19 Pfeifen. Im Oberwerk fanden sich Oktav 4‘ (C-G) und Quinte 2 2/3‘ (C-f) im kleinen Prospektfeld. Im Brüstungspositiv stand Prinzipal 4‘ (C-d‘), während die Pedalpfeifen hinter dem Hauptwerk angeordnet waren.
Eine erste grundlegende Veränderung betraf die Orgel im technischen Bereich. 1831 wurde der Grazer Orgelbauer Mathias Krainz (1776-1836) nach Pinkafeld gerufen. Die von Klügel eingebauten Springladen hatten sich nicht bewährt und wurden durch neue Schleifwindladen ersetzt.
Weitere Interventionen sind durch Inschriften belegt, die bis 1966 in der Orgel sichtbar waren. Josef Klügel hatte sich 1790 selbst auf einer Kondukte zum Oberwerk verewigt, der Wanderorgelbauer Johann Schreiber aus Kremsmünster stellte seinen Namen 1874 gleich daneben.
Die Inschrift des Anton Tausz (1826-1903) aus Großpetersdorf fand sich im Spieltisch. Er veränderte 1892 nebst manchen Registerbeschriftungen (z. B. Quarte statt Zimbel) auch einige Register bzw. einzelne Pfeifengruppen. Auf jeden Fall dürfte ihm der Ausbau von Quint und kleiner Oktav im Positiv zu verdanken sein. An deren Stelle setzte er ein Salicional 8‘, das aber des kleinen Gehäuses wegen erst ab c° eingesetzt werden konnte.
Auf die Grazer Orgelbauer Hopferwieser gehen die Arbeiten im 20. Jahrhundert zurück. Einerseits wurde spätestens 1940 eine pneumatische Zusatzlade für das Pedal eingebaut und mit dem Register Oktavbass 4‘ aus Zinkpfeifen besetzt. Zudem wurden die 1917 für die Rüstungsindustrie eingezogenen Prospektpfeifen des Hauptwerks nach dem Ersten Weltkrieg durch Zinkpfeifen ersetzt.
Im Jahre 1961 begannen die Vorbereitungen für die Sanierung der Orgel, die letztlich in den Neubau des klingenden und technischen Teils mündete. Viele Holzpfeifen waren schon schadhaft, die Traktur ausgespielt und entsprechend laut, der historische Klaviaturumfang entsprach längst nicht mehr den Vorstellungen der damaligen Kirchenmusiker.
Von den eingeholten Angeboten verschiedenster Orgelbauer ist vor allem jenes des Arnulf Klebel (1927-2018) besonders zu erwähnen. Klebel hätte gerne die Klügel-Orgel in ihrem Bestand restauriert und im Oberwerk ein III. Manual mit sieben Registern aufgestellt. Die Orgel hätte nach seinem Plan 27 Register auf drei Manualen und Pedal umfasst, der Großteil von Klügels Technik und Pfeifenwerk wäre damit erhalten geblieben.
Dazu kam es aber nicht, denn 1965 wurde die Salzburger Werkstatt Dreher&Reinisch mit dem Bau einer neuen Orgel im historischen Gehäuse beauftragt. Das hatte auch zur Folge, dass die Prospektgestaltung des Hauptwerks mit zwei Registern (Prinzipal und Gamba) nicht mehr ausgeführt wurde. Die neue im Mai 1966 vollendete Orgel wurde zwar als mechanische Schleifladenorgel gebaut, jedoch mit einer neuen Anordnung der Prospektpfeifen.
Wenn auch das durchwegs gute Pfeifenwerk dem damaligen Standard einer neobarocken Kirchenorgel entsprochen hat, so folgte die Intonation dennoch den überlieferten Intentionen der Nachkriegszeit. Schon 1966 war die Orgeltechnik nur mit „zufriedenstellend“ bewertet worden. Die Disposition, erstellt von Fr. Dominikus Norbert, sei abschließend noch in Erinnerung gebracht:
I. Manual/Hauptwerk
(C-g‘‘‘)
Prinzipal 8‘
Gedeckt 8‘
Oktav 4‘
Gemshorn 4‘
Quinte 2 2/3‘
Schwiegel 2‘
Terz 1 3/5‘
Mixtur VII 1 1/3‘
Trompete 8‘
II. Manual/Positiv
(C-g‘‘‘)
Rohrflöte 8‘
Prinzipal 4‘
Flöte 4‘
Oktav 2‘
Quinte 1 1/3‘
Scharf VI 1‘
Krummhorn 8‘
Pedal
(C-f‘)
Subbass 16‘
Oktavbass 8‘
Gedecktbass 8‘
Choralbass 4‘
Posaune 16‘
Vorerst stand die Orgel in der Pflege der Erbauerfirma, 1991 folgte Hermann Oettl aus Salzburg und 2004 Ulrich Aschermann, der damals noch in Olbendorf seine Werkstatt hatte.
Erste Begutachtungen zur Zukunft der Orgel fanden 2005, 2011 und 2014 durch die diözesanen Orgelreferenten statt.
Gottfried Allmer
Orgelkurator
Disposition der neuen Orgel
Fa. Eule Orgelbau opus 696 von 2022
III+P/32 (incl. 1 Extension) + 3 Transmissionen
im Gehäuse von Joseph Klügel d. Ä., Köszeg, von 1790
I Hauptwerk (C-g''') |
II Unterwerk (C-g''') |
III Rückpositiv (C-g''') |
Pedal (C-f') |
Bordun 16' |
Salicional 8' |
Gedackt 8' |
Violon 16' |
Principal 8' |
Flaut travers 8' |
Principal 4' |
Subbass 16' Tr. I |
Viola di Gamba 8' |
Lieblich Gedackt 8' |
Flöte 4' |
Principalbass 8' |
Rohrflöte 8' |
Unda maris 8' ab c° |
Octave 2' |
Flötenbass 8' Tr. I |
Quintadena 8' |
Fugara 4' |
Quinte 1 1/3' |
Violoncello 8' Ext. |
Octave 4' |
Flaut douce 4' |
|
Posaune 16' |
Spitzflöte 4' |
Nasard 2 2/3' |
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Trompetenbass8'Tr. I |
Quinte 2 2/3' |
Waldflöte 2' |
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Superoctave 2' |
Terz 1 3/5' |
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Mixtur 3fach 1/3' rep. c° c'c” |
Flageolet 1' rep. ds''' 2' |
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Cornett 3fach 2 2/3' ab a° |
Vox humana 8' |
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Trompete 8' |
-Tremulant |
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Nebenregister:
6 Normalkoppeln
Setzeranlage
System Eule mit Touchscreen und unbegrenzter Zahl von Nutzern, Werktiteln und Kombinationen mit den zugehörigen Pistons und Tritten (> und < jeweils mehrfach)
Walze
Walze an Zymbelstern (am Kronwerk)
frei stehender Spieltisch
mechanische Ton- und elektrische Registertraktur
Schleifladen
Moderne Gebläseanlage
mit 2 großen Hauptbälgen (im Nebenraum recht hinter der Orgel) und durckdifferenzierenden Bälgen an den Windladen
Stimmungsart:
Bach-Stimmung nach Bradley Lehmann (leicht modifiziert)
Stimmton:
440 Hz bei 15° C
Winddrücke (geplant):
HW 70, UW 73, RP 68, Pedal 76 mmWS
1.789 klingende Pfeifen, davon in den Prospekten sichtbar:
Hauptwerk Principal 8' C-c° und d°-c', Rückpositiv Principal 4' D-Ds und Fs-c',
Kronwerk 11 stumme Pfeifen