Palmsonntag 5. April 2020
(Text: Propstpfarrer Mag. Wilhelm A. Ringhofer)
SINNGEBUNG:
Mit dem Palmsonntag beginnt alljährlich die "Karwoche", in der wir Christen das Leiden, das Sterben und die Auferstehung Jesu, des Herrn, begehen.
Heute, am Palmsonntag steht der Einzug Jesu im Mittelpunkt des liturgischen Feierns. Das "Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe!" (Mt 21,9) ist der Jubelruf dieses Tages. Er scheint beinahe im Widerspruch zu stehen zu dem, was in den kommenden Tagen folgt. Doch das Leiden und Sterben Christi wird bereits erahnbar durch die Verkündigung der Leidensgeschichte (Mt 26,14-27,66).
GEDANKEN:
Der Einzug Jesu in Jerusalem war ein einmaliges Ereignis. Der "König von Israel" kommt in die Stadt der Könige, wo schon David und Salomo regierten. Jesus kommt in die Heilige Stadt. Jesus kommt in Seine Stadt.
Begeisterung flammt auf. Menschen begrüßen ihn mit Palmzweigen, sie legen Kleider auf seinen Weg und huldigen ihm. "Hosanna!" - "Hilf doch!" schallt es aus allen Ecken und Winkeln der Straße, auf der ER auf einem Esel daher reitet.
Kein Pferd. Nein, ein Esel trägt ihn. Ein störrisches Tier wählt Jesus aus, ein Tier, das unfähig ist für den Krieg. Allein zum Tragen von Lasten und zum Ziehen von Karren taugt es. Aber dieses Tier ist wie ER selbst: friedfertig.
Bald wird es aus sein mit dem Jubel und der Begeisterung. ER setzt sein Reich nicht mit Gewalt durch, ER ist kein Potentat. Haben sich die Leute etwa in ihm getäuscht...? "Kreuzige ihn!" ruft die Menge wenige Tage später.
Die letzten Worte des Evangeliums vom Einzug in Jerusalem: "Wer ist das?", fragten die einen. "Das ist der Prophet Jesus von Nazareth in Galiläa." sagten die anderen. (vgl. Mt 21,10-11)
Beginn der Karwoche ein Triumphruf: "Hosanna!" An ihrem Ende ein überschäumender mit dem Gemisch von Freude und Zweifel durchzogener Jubel: "Halleluja!"
Dazwischen die Abgründigkeit des Menschen. Himmelhoch jauchzend. Zu Tode betrübt. Einmal Zustimmung. Das weitere Mal totale Ablehnung. Von ein und dem selben Menschen - binnen weniger Tage.
Niemand kann gleichgültig an JESUS, dem GOTT-MENSCHEN, vorüber gehen. Wer bist Du, Jesus? Wer bist Du für mich, für mein konkretes Leben? Wer bist Du, Herr?
Wird meine Antwort das Bekenntnis zum gekreuzigten und auferstandenen Herrn sein?
(Nach einer Stille:) VATER UNSER.
GEBET: Jesus, in deinem Leben finden wir uns wieder: unsere Kraft und Freude, unsere Verzagtheit und Angst. Herr, lass uns gehen in deine Stadt, in unsere Stadt. Auch wir wissen, was uns erwartet: Vorurteile, Ablehnung, Spannungen ... Gib uns etwas von deiner Güte, deiner Offenheit, deiner Furchtlosigkeit, damit auch wir unserer Stadt, unserem Nächsten die Angst nehmen können: Fürchte dich nicht, Hamburg, New York oder Paris, fürchte dich nicht Haus meines Nachbarn, meiner Kinder, meiner Kollegen Dein König kommt; er sitzt auf dem Fohlen einer Eselin. Und fürchte dich nicht, mein Haus, mein Herz; freue dich, denn der König kommt!
(Carlo Maria Kardinal Martini, Erzbischof von Mailand, 1927-2012)